Kräuter gegen Unheil und Wurzeln für den Genuss
„Pflanzenmythologischer“ Spaziergang des BN im Landshuter Naturschutzgebiet
01.09.2022 Auch in diesem Jahr fand sich an einem sonnigen Sonntagnachmittag eine interessierte Gruppe bei den sieben Jubiläumslinden im Naturschutzgebiet „Ehemaliger Standortübungsplatz Landshut“ ein, um bei einem vom Bund Naturschutz organisierten gemütlichen Spaziergang Wissenswertes über die Rolle von Bäumen, Sträuchern und Kräutern im Märchen, Brauchtum, Aberglauben und in der Volksmythologie zu erfahren.
Nach einer kurzen Einführung mit einigen Erläuterungen zur Linde als Baum, der seit jeher verehrt und als Dorf- oder Gedenklinde bis heute gepflanzt wird, führte der Landschaftsökologe Berthold Riedel die Teilnehmer zunächst durch die artenreichen Extensivwiesen der Ochsenau und danach durch den naturnahen Wald am Fuße der Isarleite bei Schönbrunn. Gleich als Erstes fiel am Wegesrand der leuchtend gelb blühende Hornklee auf. Die Form der Blüten veranlasste die Menschen früher zu der bayerischen Bezeichnung „Himmimuatabantoffal“, was übersetzt so viel heißt wie Pantoffelchen der Mutter Gottes. Die in der Botanik als Schiffchen bezeichneten inneren Blütenblätter dieses Schmetterlingsblütlers erinnern tatsächlich an kleine Pantoffeln mit hochgezogener Spitze. Die Erscheinungsform von Blüten oder Blättern führten früher nicht nur zu witzigen Pflanzennamen, sondern oftmals auch zu seltsamen Bräuchen wie Riedel an Hand vieler Geschichten zu erzählen wusste. Beispielsweise legten sich früher die Mädchen in manchen Gegenden nachts die Blätter der Schargarbe auf die Augenlider, in der Hoffnung, dass sie von ihrem künftigen Bräutigam träumten. Tatsächlich erinnern die Schafgarbenblätter an Wimpern, und das Kraut hat angeblich magische Kräfte: es soll sogar die umliegenden Pflanzen gesund halten.
Vielen Pflanzen wird gemäß den Ausführungen Riedels auch eine Macht gegen Unheil und böse Geister nachgesagt. Eine Königskerze beispielsweise, die von selbst im bäuerlichen Gemüsegarten aufging, wurde früher geschont, denn diese auch Wollkraut oder Himmelsbrand genannte und über 2 m hochwachsende Krautpflanze sollte Unholde und Diebe vertreiben. Vor allem sollte sie vor unheilbringenden Geistern schützen. Außerdem sollte der Himmelsbrand helfen, das bäuerliche Anwesen vor Blitzschlag zu bewahren. Wenn eine Königskerze auf einem Grab aufging, glaubte man in vergangenen Zeiten, dass der Verstorbene um ein Gebet für seine arme Seele bitten würde. Auch heute noch wird dieses heilige Kraut an Maria Himmelfahrt (15. August) zur Kräuterweihe in die Mitte des Kräuterbuschens gesteckt und soll dabei das Zepter der Jungfrau Maria symbolisieren.
Die blau blühende Wegwarte, die mit mehreren Exemplaren den eingeschlagenen Spazierweg im Naturschutzgebiet säumte, gab Anlass, dass sich in der Teilnehmerrunde als Gesprächsthema auch die historische Verwendung von diversen Wurzeln ergab. Die getrocknete, geröstete und zermahlene Wurzel der Wegwarte und ihrer Zuchtformen diente beispielsweise in ärmeren Zeiten als Kaffee-Ersatz. Noch bis in die 1950er und 1960er Jahre, als der „Bohnenkaffee“ noch als teures Genussmittel galt, wurde der kostbare Kaffe in vielen Haushalten noch mit diesem sog. Zichorie gestreckt. Im Laufe des Gesprächs ging es auch um die große Bedeutung, die in früheren Zeiten – noch lange vor Einführung der Kartoffel – den Wurzeln der Wilden Möhre, des Gänsefingerkrauts oder des Pastinaks auf dem Speiseplan zukam. Während die Pastinaken heute wieder in vielen Gemüseregalen angeboten werden, ist der dazugehörende gelb blühende Doldenblütler vielen Menschen nicht bekannt. In den Wiesen des Naturschutzgebietes sind im Sommer die auffälligen hohen Blütenstände des Pastinaks weithin sichtbar und konnten bei der kleinen Exkursion gemeinsam erkundet werden.
Der entspannte Spaziergang führte schließlich in den Wald, und Berthold Riedel erläuterte zum Beispiel wieso gerade der Bergahorn beim Bau von Saiteninstrumenten eine so große Rolle spielt und warum er als „Weiß-Ahorn“ zu edlen Tischplatten verarbeitet wird. Auch die beiden anderen heimischen Ahornarten, Spitz- und Feldahorn wurden vorgestellt. Dabei war für viele Teilnehmer neu, dass die Blätter des Feld-Ahorns früher, milchsauer vergoren, eine köstliche Bereicherung des Speisezettels darstellten. Zu den teils witzig-launigen Ausführungen Riedels gehörte auch, dass die Hainbuche mit der „echten“ Buche keinerlei Verwandtschaftsbeziehungen verbindet und ihr Holz als besonders hart und zäh gilt, womit sich auch die Bezeichnung „hahnebüchen“ oder im Bayerischen „haglbuachan“ begründet. Sie spielt auf die Charaktereigenschaft bestimmter Menschen an, die gewisse Parallelen zum Hainbuchenholz aufweisen.
Zu vielen weiteren Bäumen, Sträuchern und Kräutern gab es noch interessante Ausführungen und nach gut zwei Stunden endete die kleine Wanderung. Schließlich waren viele der Spaziergänger erstaunt, wie viele wissenswerte und teils auch kuriose Geschichten über unsere heimischen Bäume, Sträucher und Kräuter mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Am Ende des entspannten Spaziergangs versammelte sich die Gruppe auf einer Waldlichtung neben einer Quelle, die hier unmittelbar unter einem Baum entspringt. Bei dieser Gelegenheit wies der Referent darauf hin, dass in diesem Jahr am 25. September eine Führung zu einigen sehr interessanten Quellen im Bereich der südlichen Isarleite bei Schönbrunn angeboten und dabei das Thema „Quelle“ im Mittelpunkt stehen wird.
Natternkopf und Wilde Möhren
"Pflanzenmythologischer" Spaziergang des BN im Landshuter Naturschutzgebiet
12. 09. 2021. Im Rahmen seiner Veranstaltungsreihe lud die Kreisgruppe des Bund Naturschutz heuer wieder an einem Sonntagnachmittag zum alljährlichen Spaziergang im Landshuter Naturschutzgebiet ein. Es ging dabei um die Rolle von Bäumen, Sträuchern und diversen Wildkräutern in der Mythologie sowie im Volksglauben, Brauchtum und Märchen. Ausgehend vom Treffpunkt bei den sieben Jubiläumslinden am westlichen Eingang ins Naturschutzgebiet „Ehemaliger Standortübungsplatz Landshut“ führte der Landschaftsökologe Berthold Riedel die Teilnehmer durch die Wiesen der Ochsenau und Wälder der Isarleite.
Trotz schlechter Wetterprognosen und dunkler Gewitterwolken fand sich eine stattliche Anzahl von interessierten Teilnehmern zu dieser Veranstaltung ein, und die Gruppe wurde schließlich mit regenfreiem Wetter und vielen teils amüsanten und kuriosen Geschichten rund um die heimische Pflanzenwelt belohnt.
Zunächst führte der Spaziergang durch die artenreichen Wiesen des Naturschutzgebiets und Riedel erläuterte einige Kräuter, die es am Wegesrand zu entdecken gab. Beispielsweise glaubte man früher, dass der blau blühende Natternkopf, dessen Blütenstempel der gespaltenen Zunge einer Schlange gleicht, Schlangen abwehren und gegen Schlangenbisse helfen könne. Eine ähnliche Geschichte gibt es zum gelb blühenden Odermennig, dessen Bezeichnung ebenfalls mit dem Schutz vor Schlangen zu tun hat. Denn sein Name deutet darauf hin, dass er der „Otter mächtig“ ist!
Am Wegesrand gab es noch zahlreiche weitere Kräuter, wie beispielsweise die Wegwarte, die im Volksglauben einiger Gegenden eine verwunschene Jungfrau darstellte, die mit ihren blauen Augen auf ihren Retter und zukünftigen Bräutigam wartete. In den vielfältigen Wiesen des Naturschutzgebiets war heuer sehr auffällig, dass sehr viele Wilde Möhren blüten, die zum Großteil die namensgebende Mohrenblüte im Zentrum des doppeldoldigen Blütenstands aufwiesen. Dabei handelt es sich um die einzige schwarze Blüte in der heimischen Pflanzenwelt, die in manchen Jahren eher selten zu finden ist und heuer in nahezu jeder Blüte der Wilden Möhre auftritt. Das Fehlen der Mohrenblüte galt früher als ein Zeichen für drohendes Unheil und den bevorstehenden Weltuntergang. Die Teilnehmer waren angesichts des heuer sehr zahlreichen Vorkommens sehr beruhigt, dass also so schnell nichts dergleichen passieren kann!
Ähnlich zum Schmunzeln waren auch Berthold Riedels Ausführungen zur Bedeutung von Pflanzen als Liebesorakel oder im Liebesbrauchtum. Mancherorts glaubten die Mädchen in vergangenen Zeiten, sie würden beim Auflegen von Schafgarbenblättern auf ihre Augenlider nachts von ihrem künftigen Bräutigam träumen. Die Form der Blätter erinnert tatsächlich an Wimpern – ob und vor allem wie oft der Traum jedoch früher in Erfüllung ging, ist nicht überliefert. Amüsant ist auch die Geschichte, dass schüchterne Burschen, die es nicht wagten ihre Angebetete anzusprechen, mancherorts dem auserkorenen Mädchen insgeheim ein Kleeblatt in die Schuhe legten, in der Hoffnung, dass sie ihre Liebe erwidere. Versteckte ein Mädchen ein Kleeblatt im Schuh ihres Freundes, so tat sie das in der Hoffnung, er bliebe ihr dadurch für immer treu.
Nachdem sich zu Beginn der Veranstaltung bei den sieben Linden bereits die Gelegenheit ergab, über die vielfältige Bedeutung der Linde als Dorflinde, Tanzlinde, Gerichtslinde oder Gedenklinde sowie als Baum der Mütterlichkeit und der Liebenden zu berichten, führte der gemütliche Spaziergang schließlich in den Wald. Hier ging es weiter mit diversen Geschichten über Bäume und Sträucher. Darunter auch Wissenswertes zu ihrer historischen Nutzung: so wurde beispielswiese aus den Zapfen der Schwarzerle früher Tinte gewonnen und ihre Rinde zum Schwarzfärben von Leder verwendet. Interessant war für die Teilnehmer auch zu erfahren, wieso gerade der Bergahorn beim Bau von Saiteninstrumenten eine so große Rolle spielt und dass er als „Weiß-Ahorn“ zu edlen Tischplatten verarbeitet wird. Ebenso, dass er wegen seines zuckerhaltigen Safts früher regelrecht „gemolken“ wurde. Die Blätter des Feld-Ahorns wiederum stellten milchsauer vergoren wie Sauerkraut eine Bereicherung des Speisezettels darstellten.
Für viele Teilnehmer war auch neu, dass die allgemein hohe Wertschätzung des Schwarzen Holunders auf eine vorchristliche weibliche Gottheit zurückgeht, die im Hollerbusch wohnte und die die Menschen vor Unheil bewahrte. Ihr wurde später als Frau Holle im Märchen ein Denkmal gesetzt. In vielen Gegenden hat sich der Respekt vor dem Strauch, der an keinem Anwesen fehlen sollte, bis heute gehalten und mancher zieht noch beim Vorübergehen ehrfürchtig seinen Hut. Die Haselnuss, ein altes Fruchtbarkeitssymbol, wiederum war der Heiligen Hildegard von Bingen als Zeichen der Wolllust stets ein Dorn im Auge. Es gab des Spruch: viele Haselnüsse, viele uneheliche Kinder.
Zu vielen weiteren Bäumen, Sträuchern und Kräutern gab es noch teils witzig-launige Ausführungen von Berthold Riedel und nach gut zwei Stunden endete der Spaziergang. Zum Schluss waren viele der Spaziergänger regelrecht angetan, welche Bedeutung den heimischen Bäumen, Sträuchern und Kräutern in der Kulturgeschichte zukommt und wie wenig davon heute noch bekannt ist.
Pflanzen in der Volksmythologie
Ein Naturerlebnis-Spaziergang ganz anderer Art ins Naturschutzgebiet
In ihrer Bildungsreihe „Natur kennen lernen, erleben und schützen“ lud die Bund-Naturschutz-Kreisgruppe am 15. Juli 2012 zu einem Naturerlebnis-Spaziergang ganz anderer Art ein. Über 30 Teilnehmer konnte Rudolf Sturm vom BN neben Berthold Riedel, dem Referenten und ausgewiesenen Pflanzenspezialisten, im Landshuter Naturschutzgebiet „Ehemaliger Standortübungsplatz“ begrüßen. So allerlei Bäume, Sträucher und Kräuter sollten bei diesem Spaziergang einmal auf andere Weise gesehen werden.
Von einem Aberglauben von früher begann Riedel zu erzählen. Das Kleeblatt, in einem Schuh getragen, würde die Angebetete eher auf sie aufmerksam machen, so glaubten früher schüchterne Burschen. Die Mädchen gingen davon aus, auf diese Weise ihrem Zukünftigen zu begegnen. Der Referent wusste noch weiteres über Märchen, Brauchtum, Aberglauben und Mythologie der Pflanzen zu berichten. Es ist bekannt, dass Johanniskraut eine Heilpflanze ist, und weil es so gut für den Menschen ist, hat der Teufel, so ein Märchen, vor Wut wie wild darauf eingestochen. Daher hat es bis heute die typischen perforierten Blätter, wie es der lateinische Name „hypericum perforatum“ viel sagend ausdrückt. Warum haben die weißen Blütenblätter des Gänseblümchens oft rot überlaufene Spitzen? Gemäß einem Märchen wurde es vom lieben Gott zur schönsten Blume gekürt. Die Blume wurde dabei rot vor Scham und die Farbe hielt sich bis heute. Der Baldrian sollte bei Behandlungen von Sehstörungen helfen, so glaubten die Menschen früher. Das Kraut wirkt sehr anziehend auf Katzen, und diese können ja sehr gut sehen. Mit vielen weiteren Geschichten faszinierte Riedel die sehr interessierten Teilnehmer.
Holler, Hasel, Hexenkräuter
Der BN führte eine Wanderung zum Thema Mythologie der Pflanzen durch
Jede Pflanze kann aufgrund individueller Merkmale einer wissenschaftlichen Systematik zugeordnet werden. Es existiert aber noch das Wissen über Magie, Mythologie und sonstige Kräfte der Pflanzen, das über die objektive Betrachtung hinausgeht. Um dem Verlust dieser Erkenntnisse entgegenzuwirken, hat sich der Landschaftsökologe Berthold Riedel, mit der mystischen Seite der Pflanzen beschäftigt. Trotz starken Regens fand sich zur BN-Exkursion „Pflanzen in der Volksmythologie“ am 24. Juli 2010 eine wackere, wetterfeste, sehr interessierte Gruppe ein, um in das geheimnisvolle Wissen der Pflanzen einzutauchen. Die Wiesen im Naturschutzgebiet „Ehemaliger Standortübungsplatz Landshut“ boten eine große Vielfalt an Arten. Beginnend bei der Königskerze, die in keinem Kräuterbuschen als Mittelpunkt fehlen darf, über Nutzpflanzen wie Wilde Möhre, Pastinak und Zichorie (Wegwarte) bis hin zu Orakel-, Zauber- und Schutzpflanzen reichte das Spektrum. Berthold Riedel konnte mit vielen Geschichten und Informationen aufwarten.
Der Name Mädesüß hat nichts mit Mädchen zu tun, sondern mit “Met süßen”. Der Holunder ist ein heiliger Strauch. Man zog den Hut vor ihm und nahm an, dass Frau Holle dort zuhause war und mit der wollte man es sich nicht verderben. Die Linde hat viele gute Eigenschaften, sie ist unter anderem ein Baum der Gerechtigkeit. Unter der Krone wurde Gericht gehalten. Der Referent wies auf große Linden in Franken hin, sogenannte Tanzlinden, in denen noch heute auf verschiedenen Stockwerken musiziert, getanzt und gefeiert wird. Die Linde ist ein fröhlicher, liebevoller Baum. Im Gegensatz dazu steht die Erle, der Dunkles und Dämonenhaftes zugeschrieben wird. Lebt sie doch am Wasser und in feuchten Gebieten, vor denen den Menschen schon immer etwas bange war. Die Teilnehmer erfuhren, dass die meisten Pflanzen und Rituale zur Steigerung der Fruchtbarkeit und dem Liebeszauber dienten. Nach drei Stunden, in denen die Wanderer in die Mythologie und Magie eintauchten, verstärkt durch das trübe Wetter und leichtem Dunst, wurde klar, dass das Ganze mehr ist als nur die Summe seiner Teile.
Vom Hexenkraut bezirzt
Naturmythologischer Spaziergang des BN im Landshuter Naturschutzgebiet
Auch in diesem Jahr veranstaltete die Kreisgruppe des Bund Naturschutz (BN) in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Landshut einen naturmythologischen Spaziergang durch die „Ochsenau“ im Landshuter Naturschutzgebiet. Es ging dabei um die Rolle diverser Wildkräuter, Bäume und Sträucher in der Mythologie, im Volksglauben, im Brauchtum und im Märchen. Treffpunkt war wie immer bei den sieben Linden am westlichen Eingang ins Naturschutzgebiet „Ehemaliger Standortübungsplatz Landshut“. Von dort aus führte der Landschaftsökologe Berthold Riedel die Teilnehmer auf Wegen durch die Wiesen und Wälder und wusste viele informative und teils auch kuriose Geschichten über die Pflanzenwelt zu erzählen.
Trotz aufziehender Gewitterwolken, die sich nach ein paar Blitzen, Donnern und einigen Regentropfen wieder verzogen, fanden sich interessierte Teilnehmer ein, um unter den neugierigen Blicken der seit kurzem in der „Ochsenau“ grasenden ungarischen Graurinder den Ausführungen des Referenten zu lauschen. Nachdem zu Beginn bei den sieben Linden kurz die herausragende Bedeutung der Linde in der Mythologie und im Brauchtum erläutert wurde, führte der Weg zunächst durch die blütenreichen Wiesen, und einige Blütenpflanzen am Wegesrand wurden näher unter die Lupe genommen. So glaubte man beispielsweise früher, dass der blau blühende Natternkopf, dessen Blütenstempel der gespaltenen Zunge einer Natter gleicht, Schlangen abwehren könne und gegen Schlangenbisse helfen solle. Weil er so kratzbürstig aussieht, wurde er außerdem zur Abschreckung von Ratten und Mäusen genutzt. Dazu musste die Zauberpflanze zur Sommersonnenwende geschnitten und in der Vorratskammer ausgestreut werden. Dabei war jedoch zu beachten, dass nach dem Pflücken auf dem Heimweg auf keinen Fall einen Bach überquert werden durfte. Denn damit wäre die Wirkung verloren gegangen. Eine ähnliche Geschichte gibt es zum gelb blühenden Odermennig, dessen Bezeichnung ebenfalls mit dem Schutz vor Schlangen zu tun hat, denn er ist der „Otter mächtig“! In diesem Zusammenhang erläuterte Berthold Riedel auch die diversen Ausbreitungsmechanismen von Pflanzen, von denen einige wie der Odermennig klettenartige Früchte ausbilden, um im Fell von Tieren an neue Keimplätze getragen zu werden.
Besonders amüsant waren die Ausführungen des Referenten zur Bedeutung von Pflanzen als Liebesorakel oder im Liebesbrauchtum. Mancherorts glaubten die Mädchen früher, sie würden beim Auflegen von Schafgarbenblättern auf die Augenlider nachts von ihrem künftigen Bräutigam träumen. Dies sollte aber nur in bestimmten Nächten funktionieren. Die Ursache dieser Vermutung liegt wohl an der Form der Schafgarbenblätter, die durchaus an menschliche Wimpern erinnern. Die Schafgarbe ist übrigens eines der wenigen Kräuter, die ihre Heilwirkung auf Pflanzen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft übertragen kann und diese so gesund erhält. In manchen Gegenden legten Mädchen insgeheim Kleeblätter in die Schuhe ihres Wunschkandidaten, in der Hoffnung, dass er ihnen treu bliebe. Aber auch für schüchtere Burschen empfahl es sich, ein Kleeblatt im Schuh der Angebeteten zu verstecken, so dass sie sich für ihn interessierte, ohne dass er sie ansprechen musste.
Der Spaziergang führte weiter in den Wald am Fuße der Isarleite und somit lag der Schwerpunkt der Ausführungen vor allem auf interessanten Geschichten über Bäume und Sträucher. Riedel erläuterte zum Beispiel, wieso gerade der Bergahorn beim Bau von Saiteninstrumenten eine so große Rolle spielt und dass er als „Weiß-Ahorn“ zu edlen Tischplatten verarbeitet wird. Auch die beiden anderen heimischen Ahornarten, Spitz- und Feldahorn wurden vorgestellt. Dabei war für viele Teilnehmer neu, dass die Blätter des Feld-Ahorns früher, milchsauer vergoren, eine Bereicherung des Speisezettels darstellten. Interessant war für viele Teilnehmer auch, dass die Hainbuche mit der „echten“ Buche keinerlei Verwandtschaftsbeziehungen verbindet und ihr Holz als besonders hart und zäh gilt, womit sich auch die Bezeichnung „hahnebüchen“ oder im Bayerischen „haglbuachan“ begründet. Sie spielt auf die Charaktereigenschaft bestimmter Menschen an, die gewisse Parallelen zum Hainbuchenholz aufweisen.
Weiter ging es bei den teils witzig-launigen Ausführungen von Berthold Riedel beispielweise auch noch um den Efeu, der früher als Symbol für eine enge Freundschaft betrachtet wurde. Denn vor allem in Wäldern lehnt er sich vertrauensvoll an einen Baum. Im Altertum war außerdem bekannt, dass der Efeu helfen sollte, bei Saufgelagen einen kühlen Kopf zu bewahren. Daher wurden die Weingötter Dyonisos der Griechen und Bacchus der Römer oftmals mit Efeukränzen auf dem Kopf dargestellt. Auch in Kräuterbüchern des Mittelalters ist von dieser Wirkung zu lesen. Außerdem soll eine Arznei aus gestoßenen Efeublättern, aufbereitet mit Essig und Rosenwasser den Kater am darauf folgenden Tag mildern und, wie der damalige Kräuterkundige Hieronymus Bock es ausdrückt, gut gegen „grausam Hauptweh“ sein.
Am Ende des entspannten Spaziergangs versammelte sich die Gruppe auf einer Waldlichtung neben einer Quelle, die hier unmittelbar unter einem Baum entspringt. Bei dieser Gelegenheit wies der Referent darauf hin, dass im nächsten Jahr voraussichtlich eine Führung zu einigen sehr interessanten Quellen im Bereich der Isarleite angeboten wird und dabei das Thema „Quellen als ökologische Besonderheit“ im Mittelpunkt stehen wird. Im Bereich der Lichtung wurde man schließlich auf einen schönen Bestand aus blühendem Hexenkraut aufmerksam, und Berthold Riedel erläuterte, dass der wissenschaftliche Name Circaea auf Circe, die berühmte Zauberin der griechischen Mythologie, zurückgehe. Raffinierte Frauen nutzten in früheren Zeiten die frischen Blüten des Großen Hexenkrautes, an denen einer kleiner klettenartiger Blütenkelch erkennbar ist, um anziehender auf Männer zu wirken bzw. um sie damit zu „bezirzen“.
Was die Alten wussten und glaubten
Naturmythologischer Spaziergang des BN mit Berthold Riedel im Landshuter Naturschutzgebiet
Pflanzen können nicht nur naturwissenschaftlich-nüchtern betrachtet werden, sie haben auch eine mythologische Seite, die heute kaum mehr präsent ist. Bäume, Sträucher, Blumen und Kräuter spielen seit alters her im Volksglauben und im Brauchtum eine bedeutende Rolle. Diese stellte Berthold Riedel bei der naturkundlichen Wanderung „Pflanzen in der Volksmythologie“ des Bundes Naturschutz (BN) am Sonntag, 20. Juli, eindrucksvoll heraus. Bei großer Sommerhitze traf man sich im unteren Teil des Landshuter Naturschutzgebietes, in der sogenannten Ochsenau. Im wohltuenden Schatten der – noch jungen, vom Bund Naturschutz gepflanzten – sieben Linden erläuterte der Pflanzenexperte, dass die Linde im Volksglauben für das Weiche, Sanfte, Mütterliche stehe, was durch die herzförmigen Blätter und auch die annähernde Herzform der gesamten Baumgestalt unterstützt werde. Im Gegensatz dazu stehe die harte, männliche Eiche, der Baum der Kämpfer und Sieger, was sich auch in der Verwendung des Eichenlaubes widerspiegele.
Eine große Rolle als fast schon heiliger Baum spielt in den nördlichen Ländern die Birke, einer der wenigen Laubbäume, der starke Kälte verträgt. Wenn die Birke nach langem Winter ihre zarten, hellgrünen Blätter entfaltete, seien in heidnischen Zeiten ausgelassene Frühlingsfeste gefeiert worden. Auch der Maibaum war früher vielerorts eine Birke. Berthold Riedel machte auch detaillierte, teils witzig-launige Ausführungen zu anderen Bäumen und Sträuchern wie Ahorn, Ulme, Weide, Vogelbeere und Haselnuss. Während die Ulme in Mitteleuropa eine düstere Aura habe, sei die Vogelbeere ein Baum der Heiterkeit und des Feierns. Nicht nur wegen ihres Holzes geschätzt werde die Haselnuss, sie sei auch ein regelrechtes Fruchtbarkeitssymbol gewesen. Fast unerreicht in der allgemeinen Wertschätzung sei der Holunder gewesen. Man verwendete fast alle Teile von ihm, er brachte Segen und Gesundheit und wendete Unheil ab. Bei den Bauern genoss er so großen Respekt, dass sie beim Vorübergehen ehrfürchtig den Hut zogen.
Im Laufe der entspannten Wanderung entlang der schattigen Isarleiten zeigte Riedel verschiedene andere Pflanzen, von denen er auch die tatsächliche oder nur zugeschriebene medizinische Wirkung erläuterte, so etwa den Hopfen, der ob seiner beruhigenden Wirkung unters Kopfkissen gelegt wurde, oder den Beinwell, der – wie der Name sagt – Knochenbrüche rascher heilen lassen sollte. Pflanzen hatten natürlich gerade in Notzeiten eine geradezu elementare Bedeutung. Wenn man Hunger litt, griff man auf Kräuter und Wurzeln zurück, so zum Beispiel auf den vielgeschmähten Giersch, den Weißdorn oder die Wegwarte, aus der man Kaffeeersatz herstellte. Riedel erzählte auch von kirchlich-religiösen Bräuchen, etwa vom Kräuterbuschen an Mariä Himmelfahrt oder vom Frauenmantel, der auf die Heilige Maria verweist. Immer wieder spielen auch Hexen und der Teufel eine Rolle, die ja in früheren Jahrhunderten allgegenwärtig waren. Der Referent zeigte das voll in Blüte stehende Johanniskraut vor und hielt es gegen das Licht. Dieses als Arznei so wichtige Kraut soll der Teufel aus Wut mit tausend Stichen durchlöchert haben. Und wenn es um Liebesdinge oder speziell ums Heiraten ging, vertrauten sich viele junge Mädchen diversen Pflanzen an, zum Beispiel Klee oder Löwenzahn, die als Liebesorakel dienten. Kurz vor einem sich anbahnenden Gewitter endete die heiter-vergnügliche Wanderung. Sie schärfte den Blick und auch die anderen Sinne und machte den Teilnehmern bewusst, dass in Pflanzen – und seien sie auch noch so unscheinbar – ein großer Anteil Kulturgeschichte steckt.